SCHWEINFURT
Führung durch Rückerts Schweinfurt
Wenn Schweinfurt 'Weinfurt' oder 'Mainfurt' genannt worden wäre, hätte Friedrich Rückert sich hier noch wohler gefühlt.
Eine Schweinfurterin ruft bei der Stadtführung mit dem Lehrer und Stadtchronisten Friedrich Leonhard Enderlein auf die Fragen nach dem damals regierenden jungen Bürgermeister „Remelé“ dazwischen. Amtsinhaber aber ist Konrad Schultes.
Und als Federlein, als Theologe unter anderem auch an der von Friedrich Rückert besuchten Lateinschule (Altes Gymnasium am Martin-Luther-Platz) tätig, erklärt, dass die Stadt Rückert nun endlich ein Denkmal widmen wolle, merkt eine andere an, dass es das am Marktplatz doch schon gibt.
„Schweinfurt anno 1855 – Leben und Wirken Friedrich Rückerts“
„Schweinfurt anno 1855 – Leben und Wirken Friedrich Rückerts“ ist die Stadtführung überschrieben. Klaus Reimann schlüpft dazu ins Kostüm des erwähnten Friedrich Leonhard Enderlein, was auch angemessen ist, weil ein Rückert-Double eher schwer zu finden wäre: Rückert misst 2,04 Meter. Das große Denkmal für Rückert, der damals schon auf seinem Landsitz in Neuses bei Coburg weiter dichtet, gibt es 1855 noch nicht. Es wird erst 1890 aufgestellt.
Enderlein vermischt die Historie wunderbar mit solchen Einschüben. Dauerhaftes Schmunzeln ist der Lohn.
So auch bei Folgendem: Sein Vater Johann Adam Rückert wird 1792 nach Oberlauringen versetzt. Zuvor sei er in Schweinfurt der 51. Jurist gewesen, bei 5000 Einwohnern, schildert Enderlein und fügt süffisant an: „Vielleicht wirft das ein Licht auf das einst friedliche Schweinfurt“.
Vorbei an der Johanniskirche zur Lateinschule, dem Alten Gymnasium, erinnert Enderlein an einen Stadtratsbeschluss von 1542, nach dem Schweinfurt evangelisch-lutherisch wird.
300 Jahre habe das geklappt, bis sich die Oberschicht über Beamte aus dem Süden ärgern muss, die „hier Ämter übernahmen“. Das Schlimmste: Sie waren katholisch.
Unermüdlich fleißig
Die Lehrer im Alten Gymnasium merken schnell, dass Rückert vor allem ein Sprachgenie ist. „Er war unermüdlich fleißig“, heißt es im Abgangszeugnis 1805, Rückert sei den Lehrern körperlich wie intellektuell über den Kopf gewachsen.Es folgen die Frauen-Geschichten. Den Mädchen habe er gerne nachgeschaut, meist erfolglos. Die erste großen Liebe läuft Rückert, da 24-jährig, über den Weg, Agnes Müller aus Rentweinsdorf. Schmetterling nennt er sie. Agnes stirbt 16-jährig an einem Blutsturz. 40 Sonetten hat er ihr gewidmet.
Bei Marie-Elisabeth Geuß, der nächste Versuch, sind es gar 70. Nützte aber nichts. Auch diese junge Frau erwidert das Werben nicht. Ein dritter Versuch bei einer Italienerin scheitert an den Drohungen ihrer Eltern, die Finger von der Tochter zu lassen.
Sein Glück findet Rückert 1820 bei Luise Wiethaus-Fischer in Coburg. Ihr, die nur 1,56 Meter klein ist, macht die Größe nichts aus, derentwegen Rückert so oft gehänselt worden war. Sechs gemeinsame Kinder erblicken das Licht der Welt. 1822 wird geheiratet, 1823 wird Heinrich, 1824 Karl geboren. 1826 folgen Karl, 1827 Leo und 1829 und 1830 Ernst und Luise.
Alle erkranken an Scharlach, die beiden Jüngsten sterben daran und Rückert zerbricht fast an diesem Schicksalsschlag. Es entstehen die über 400 berühmten „Kinderthotenlieder“, in denen Rückert seinen Schmerz verarbeitet.
Enderlein, der aus ärmsten Verhältnisse stammte, führt auch zu Orten, die mit Rückert direkt nichts zu tun haben. Gastwirt Georg Joshua Schwanhäuser, „mein Freund“, erfindet 1856 in seinem Gasthaus Goldener Stern in der Oberen Straße die Schlachtschüssel.
Er habe eigentlich ein gehobenes Restaurant geplant. Aber als er sah, „wie die Schweinfurter essen“, räumt er Tischdecken, Teller und Servietten beiseite. Die Schlachtschüssel vom Brett war geboren, behauptet Enderlein augenzwinkernd.
Imageproblem
Enderlein liest an fast jeder Station auf der kurzweiligen Zweistundenrunde ein passendes Gedicht, eine Sonate, Verse. Im Zürch, neben dem von Peter Vollert geschaffenen Hirten mit seinen Schweinen packt er das Erwartete aus: „Hättest Mainfurt heißen können, hättest Weinfurt heißen können, weil du führest Wein. Aber Schweinfurt, Schweinfurt sollt' es sein!“ So klagt der Ehrenbürger Rückert über das allererste Imageproblem seiner Heimatstadt.35 zufriedene Teilnehmer führt Enderlein am 150. Todestag durch Rückerts Schweinfurt im Jahr 1855. Es wollten einige mehr mit, aber die hatten sich nicht angemeldet. Schade, dass einige dennoch verärgert abzogen, zumal es diese lohnenswerte Führung regelmäßig gibt. Die nächste Mitte Februar.
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